In seiner Schrift „Die Sorge für sittlich verwahrloste Kinder“ hat der Freiburger Domdekan Johann Baptist von Hirscher (1788 – 1865) Mitte des 19. Jahrhunderts die christlichen Gemeinden aufgefordert, sich der Kinder anzunehmen, die in Verlassenheit und Verwahrlosung aufwachsen. Die Not seiner Zeit gegen Ende der industriellen Revolution beschreibend, forderte er eine Rettungsarbeit mit dem Ziel, „sich der schwächlichsten und gebrechlichsten Kinder in besonderer Liebe anzunehmen. Erzbischof Hermann von Vicari erteilte Hirscher schließlich den Auftrag, „Erziehungshäuser“ zu gründen.
Durch hohen persönlichen Einsatz und eine großzügige Schenkung schaffte Hirscher die Voraussetzungen zur Gründung des „Armenkinderhauses“ Walldürn in einer ehemaligen Zündholzfabrik. Am 23. März 1858 nahm die Einrichtung ihren Betrieb auf.
Von Anfang an wirkten Schwestern der Ordensgemeinschaft der Armen Franziskanerinnen von Mallersdorf mit großem Einsatz in der Einrichtung. Deren Gründer, der Pirmasenser Stadtpfarrer Dr. Paul Josef Nardini, hatte die Schwestern noch selbst nach Walldürn gesandt.
Auch wir wissen von der dunklen und problematischen Zeit in der Geschichte von St. Kilian, in der jungen Menschen in unserer Einrichtung in unterschiedlicher Weise Leid zugefügt und Unrecht angetan wurde. Der Verantwortung für diesen Teil unserer Geschichte versuchen wir gerecht zu werden, indem wir den damaligen Bewohnerinnen und Bewohnern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, an der Aufklärung mitarbeiten und unseren Beitrag zur Aufarbeitung leisten.
Auch wenn die baulichen Grundsteine der Einrichtung längst nicht mehr vorhanden sind, so bilden die „geistigen Grundsteine“ aus der Anfangszeit noch heute die Basis für unsere Arbeit. Verwahrlosung und Verlassenheit von damals finden in der heutigen Zeit ihre Entsprechung in vielfältigen Problemlagen von jungen Menschen und deren Familien. Wir nehmen uns der Kinder und Jugendlichen an, deren Lebenssituation in Folge von psychosozialen Belastungen durch Entwicklungsdefizite und Verhaltensprobleme beeinträchtigt ist. Es geht darum, gemeinsam mit den Familien die Fähigkeiten und Fertigkeiten der jungen Menschen zu fördern, ihre Defizite abzubauen und mit ihnen Lebensperspektiven zu entwickeln. Die drei Schriftzeilen „Leben – Lernen – Leben lernen“ verdeutlichen Auftrag und Ziel unserer Arbeit.